Weg der Demokratie Bonn
Das kleine und beschauliche Bonn am Rhein war bekanntlich mal Bundeshauptstadt. Mittlerweile ist das ja Berlin. Aber nicht alle Ministerien sind komplett umgezogen. Und auch der Bundespräsident und die Kanzlerin haben noch Zweitsitze im ehemaligen Bundesdorf. Im Bundesviertel in Gronau umweht mich der Hauch der Geschichte. Ich schlendere über dem Adenauer seine Allee. Nach dem Ernst-Moritz-Arndt-Haus wird es politisch. Das ehemalige Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen, der heutige Bundesrechnungshof, war seinerzeit der erste Regierungsneubau. Man erkennt gleich den 50er-jahre-Charme der Architektur. Nur wenig später bezog Adenauer himself, damals Kanzler und Außenamtschef in Personalunion, das Funktionsgebäude. Nach dem Fall der Mauer fanden übrigens im „Weltsaal“ die sogenannten „2+4-Gespräche“ statt. Wie die endeten, wissen wir ja!
Ich marschiere weiter, vorbei an der Kinderklinik, vorbei am Raiffeisenhaus, dass offenbar leer steht, und hohe Mauern, Zäune und viel Flora kündigen das Areal des Regierens an. Hinter den Steinen und Hecken verschanzen sich die Villa Hammerschmidt, Gaucks Bonner Zweitwohnung, das Palais Schaumburg, in dem weiland die Kanzler amtierten, und der schön eckige Kanzler-Bungalow, der jedoch so verborgen liegt, dass er für die Augen der Fußgänger unsichtbar ist. Weiße Wände verraten aber, dass zumindest die alten Regierungsgebäude knapp sichtbar sind. Ob Angela da ist? Oder der Joachim? Keine Flaggen gehisst…sind also unanwesend!
„Ich will hier rein!“
Gleich danach taucht das alte Bundeskanzleramt hinter dicken Zäunen auf. Dort arbeitet der Niebel, der vor der Wahl 2009 noch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung abschaffen wollte. Jetzt regiert er unbemerkt in dem Haus, in das damals der Gerhard Schröder so unbedingt hinein wollte. Na, drin war er ja. Nur gemacht hat er draus nix! Also wenn man von der Abschaffung des Sozialstaates mal absieht.
Schräg gegenüber wohnt das Haus der Geschichte. Wie bei allen Museen ist drinnen nüscht mit Fotografieren. Drum bleibt es bei Außenaufnahmen.
Ich frage einen Mann mit Hund, ob der Weg, aus dem er kommt, öffentlich sei. Ist er! Also hindurch. Die Skulptur von Henry Moore, die der Schmidt unbedingt kaufen musste, thront auf der Wiese wie…wie…na wie Schmidt auf seinem Regierungssessel. Obwohl…so voluminös wie die ist, sieht sie eher nach Kohl aus!
In einer Bretterbude, die einer Finnischen Sauna gleicht, bieten die Besitzer des damaligen Bundesbüdchens Getränke und leckere Kost an. Der hausgemachte Kartoffelsalat ist mein Geheimtipp! Und Chef Jürgen Rausch ist eine sympathische rheinische Frohnatur. Aber es fehlt das Flair des alten Büdchens, das irgendwo in Bornheim auf seinen weiteren Einsatz wartet. Hoffentlich wird der Kiosk bald wieder aufgestellt!
Vorbei geht es am Bundesrat, am Bundeshaus und am alten neuen Plenarsaal, in dem ich auch mal drin war, in Richtung Langer Eugen. Weiter hinten steht phallisch der Post Tower. Und er verdeckt die Aussicht auf das Siebengebirge. Zum ersten Mal sehe ich den Schürmann-Bau. 1993 war der mal abgesoffen. Für unschlagbar günstige 700 Millionen Euro gebaut, ist das Bauwerk eines der teuersten der Nachkriegsgeschichte. Und eigentlich überflüssig. Da den Abgeordneten die Wiedervereinigung dazwischen kam, wurde das Häuschen der Deutschen Welle überlassen.
Neues Altes und altes Altes
Gleich gegenüber dem Eugen schlummert unter Bäumen friedlich das Wasserwerk. Das war damals ein Provisorium. Da die Hausherren den alten Plenarsaal abreißen und neubauen ließen, brauchten sie was schönes zum Tagen. Das taten viele später auf Klappstühlen, da das kleine Werk für die ganzen Damen und Herren nach dem Fall der Mauer etwas eng ausfiel. Nun ist alles dort UN-Campus, wie auch der Lange Eugen. Wer nicht gern zählt aber neugierig ist: das hohe Haus hat 30 Etagen! Klein, knorrig, dynamisch: das war Eugen Gerstenmaier. Der Bundestagspräsident von 1954-1969 setzte sich für bessere Arbeitsbedingungen der Abgeordneten ein. Sie bekamen erst mit dem Hochhaus alle eigene Büros. Da Gerstenmaier nicht gerade ein Hüne war, nannte man das Bauwerk im Volksmund bald „Langer Eugen“.
Über die Rheinuferpromenade spaziere ich Richtung Kennedybrücke, passiere die Villa Hammerschmidt, auf die man von dort den besten Blick hat, gehe vorbei am Rheinpavillon, in dem mal Wolfgang Koeppen saß und über seinen Bonner ‚Schlüsselroman‘ „Das Treibhaus“ sprach. Vorbei am Alten Zoll wandere ich rüber zum Hofgarten, entlang am Kurfürstlichen Schloss. Am 22.10. 1983 demonstrierten hier Hundertausende gegen die Nachrüstung.
Allmählich demonstriert auch mein Magen. Mein Weg der Demokratie ist gegangen. Ich habe Hunger, habe Durst…und verabschiede mich Richtung Hauptbahnhof.
Bis gleich…
André