Auf dem Cimetière de Montmartre
So um die Mittagspause erschien Robert Mayet, der Entwickler des ersten Mopeds, vor mir. Wir begegneten einander zufällig. Gut, er lag da und konnte nicht anders, aber er wollte auch entdeckt werden. Versteckt hatte er sich in den engen Weiten des Friedhofs Montmartre. Und…ich kannte ihn bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht.
Mit anderen erging es mir nicht so. Wo Dalida, in ihrem schönsten Bühnenkleid in Marmor geschlagen, auf ihrer letzten Bühne steht, dass wusste ich. Dieses Grab in natura zu erblicken, ist immer ein Moment der stillen und beeindruckenden Erhabenheit. Ähnlich, aber niemals so intensiv, empfinde ich bei anderen Grabstätten. Außer vielleicht bei jenem Heinrich Heines…
Man durchmisst die ganze Geschichte der Kunst, der Kultur. Literaten, Musiker, Schriftsteller von Weltruhm, sie haben auf den Friedhöfen der Metropole an der Seine ihre letzte Ruhe gefunden. In Paris ist man nicht tot; man ist auch nach dem Tod.
Gestorben in Paris
So wie Oscar Wilde. Er ist ein Muss! Und nie werde ich verstehen, wie man ein Monument der Ehre und des Gedenkens derart verwüsten kann. Das erste Foto stammt aus dem Jahre 1991. Schon damals fehlte dem von Jacob Epstein geschaffenen Denkmal der Schniedel. Irgendein Derangierter brach ihn ab und nahm ihn einfach mit! Stellen Sie sich mal vor, das macht Schule!!! Irgendwann bürgerte sich ein, die Skulptur mit fett bestifteten Lippen zu küssen! Gut, aus moralischen Gründen kann man fast froh sein, dass das erektile Begattungszäpfchen fehlt. Man würde sich drum reißen, dieses mit den Lippen…aber reißen wir uns jetzt am Riemen! Wie das aussah, ist in der Galerie dokumentiert. Mittlerweile ist es gereinigt und mit einer Glasplatte geschützt. Und es herrscht Kussverbot! Das ihm! Dem solch moralische Attitüden ziemlich egal waren.
Tot, aber wo?
Manche Gräber sind gar keine. Die Sarkophage von Jean-Baptiste Poquelin, eingeweihten auch bekannt als Molière, und Jean de La Fontaine sind leer. Der exkommunizierte Molière wurde vermutlich weißgott wo begraben; La Fontaine auf dem Cimetière des Innocents. Als dieser aufgelöst wurde, stapelte man seine Gebeine irgendwo in den Katakomben. Beide Gräber sind Ehrengräber.
Ein Ehrenmal gab es auch für Baudelaire auf dem Cimetière Montparnasse. Da liegt er in Stein gemeißelt auf einer Steinplatte. Sein Grab fand ich damals nicht.
Eine Beziehung der besonderen Art findet man auf dem Cimetière Montmartre. Da liegt er, Alexandre Dumas Sohnemann, der große Gesellschaftskritiker, der Schöpfer der Kameliendame. Und unweit liegt sie, Alphonsine Plessis, auch bekannt unter ihrem Künstlernamen Marie Duplessis. Die weiland stadtbekannte Kurtisane war das Vorbild der Figur eben jener Marguerite Gautier, die wir in Dumas‘ Werk erleben dürfen. Ihr Grab ist immer mit frischen Kamelien geschmückt!
The Doors liegen feierlich…
1991 war das 20. Todesjahr von Jim Morrison. Er starb am 3. Juli 1971 in der Rue Beautreillis 17. Als ich den Cimetière du Père-Lachaise, übrigens der erste Parkfriedhof der Welt seinerzeit, betrete, höre ich schon von weitem „The End“. Eine bessere musikalische Begleitung kann es für einen Spaziergang über einen Friedhof nicht geben! An seinen Grab wird gefeiert. Es wird geraucht (nee, keine Gitanes!) und gesoffen. Die ausgelutschten Pullen liegen in der Gruft. Wenn man mich dereinst auch mal so abfeiern würde…
Simone ging vor…
Zu sehen ist auch das Grab der großen Schauspielerin Simone Signoret. Seit dem 30. September 1985 lag sie dort allein (fotografiert 1991). Am 9. November 1991 kam ihr zweiter Gemahl Yves Montand hinzu (fotografiert 1992). Der Mann hatte bekanntlich einen Fisternöll mit Edith Piaf, die ein paar Minuten Spaziergang entfernt liegt. Beziehungen eben! Ok…der gute Yves hatte während seiner Ehe mit Madame Signoret diverse Fisternöllsche, und ich weiß nicht, ob sie es so prickelnd fand, dass man ihn auf ihr bestattete. Gerüchten zufolge haben sie sich inzwischen ausgesprochen!
Der Spatz von Paris ist gelandet
Über Édith Piaf etwas sagen hieße, Spatzen nach Paris tragen. Sie ruht an der Seite ihres letzten Mannes Théo Sarapo und ihrer Tochter. Der an der Seite genannte Louis Alphonse Gassion ist Édiths Vater…
Ich kann nicht alle nennen. Michel Petrucciani, der kleine große Jazzpianist, der in der TV-Show Roger Willemsens pianierte, liegt auf Père-Lachaise, gleich gegenüber des Sängers Mano Solo, knapp vor dem genialen Frederic Chopin. Die Malerei ist vertreten. Edgar Degas taucht auf, an George Seurat – der Pionier des Pointilismus – kommen wir vorbei, an Stendhal (Rot und Schwarz), Emile Zola, dem verehrten Heinrich Heine, der in seiner Pariser Matzratzengruft zugrunde ging, und…da ist auch er. Der Grabstein Gertrude Steins. Nach jüdischer Sitte immer mit Steinen belegt. Aber…wir, die Père-Lachaise kennen und sie verehren, wird finden ihr Grab immer wieder. Und verabschieden uns mit einem Stein…
Da liegen se…
Für alle, die sich ihre Nasen bei Bild 34 an ihrem Monitor platt gedrückt haben und nicht lesen konnten, wer dort liegt. Es ist Sully Prudhomme! Wer das ist…müssen Sie halt googeln! 😛
Bis gleich…