Die vollständigste Stadt der Welt
Paul Valéry schrieb über Paris, die Metropole an der Seine sei die vollständigste Stadt der Welt. In der Tat findet man dort alles. Menschen, Kultur, Leben, Flair, Bauwerke und Monumente, Kunst aller Art… Man findet dort den Eiffelturm, den Louvre, den Invalidendom, die Sacré-Cœur, die Notre-Dame, und und und. Paris gehört zweifellos zu den Städten, die man erleben und erlaufen muss. Man muss sie sehen, atmen, hören, schmecken und fühlen. Nur dann kann man sie vollständig im Sinne Valérys erfassen. Im Zweite-Klasse-Abteil fuhr ich ein paar Mal dorthin. Mal mit dem Nachtzug, lernte schon unterwegs Einheimische kennen, mal mit dem Intercity, erlebte die Pendler aus dem Norden Frankreichs und dem Süden Belgiens. Allein die Reise hat schon etwas besonderes. Und sieht man den Montmartre, die bereits genannte Sacré-Cœur, kurz bevor man in den Gare du Nord einfährt, so kann man sich dem Charisma dieser Stadt der Städte nicht mehr entziehen.
Schäbig schöne Zimmer
Kein Bahnhof in Europa wird täglich häufiger von Passagieren benutzt. Für rund eine halbe Million Menschen ist er Umschlagplatz auf dem Weg zu Arbeit, in die Stadt, nach Hause, für einen Urlaubsaufenthalt oder einfach, um ihn einmal zu erleben. Seit 1866 ist seine 180 Meter lange Fassade das Wahrzeichen des 10. Pariser Arrondissement. In seiner Nähe gibt es jene kleinen Hotels mit 2 oder 3 Sternen, die gern Anlaufziel für Reisende mit kleinem Geldbeutel sind. Ich selbst wohnte einmal im noch alten Hotel Gare du Nord, einmal im Saint-Quentin. Und wer die TV-Serie „Anna“ gesehen hat, der kennt auch das „Milan“. Man bekommt ein petite dejeuner gegen Aufpreis. Und…auch mal ein Zimmer, von dem man den Eindruck bekommt, die Römer haben hier weiland schon gehaust. Aber mit Pastis kann man es sich schön trinken…
Paris kulinarisch
Paris per pedes (Alliteration!!!) Die Stadt hört sich ganz speziell an. Überall Autos, dazwischen die paristypische Polizeisirene. Um sie zu atmen geht man in eine kleine Bäckerei. Am Montmartre bekommt man die besten Crossaints. Sie triefen von Butter. Auch die Baguettes sind anders, als wir sie hier kennen. Mit lautem Geräusch platzt die Kruste, wenn man sie bricht. Außen cross, innen fluffig, so schmeckt Paris. Unterhalb der Sacré-Cœur gibt es einen Imbiss-Stand. Dort bekommt man Baguette mit Rührei und Speck und Aussicht. Und man braucht etwas Gehaltvolles, will man den butte Montmartre erklimmen, statt mit der Funiculaire hinauf zu fahren.
Städte müssen erlaufen werden
Denn Paris bedeutet auch Treppen. Gerade in diesem Teil der Stadt. Und hier bedeutet Paris Menschenmassen. Drum halte man sich etwas abseits, ziehe nicht nomadisch mit dem Strom der Touristen, sondern suche nach Alternativen. Es gibt sie. Straßen führen von Westen her hinauf. Orientierungssinn ist hilfreich. Ein Navi ist unspochtlich! Denn nur wer sich hoffnungslos verfranzt, der entdeckt die Stadt abseits der Touristenstätten, wie sie wirklich ist. Man wandelt auf den Pfaden der Künstler, die hier vor bald 100 Jahren lebten. Woody Allen setzte dieser Zeit mit seinem Film „Midnight in Paris“ ein so wunderbares und poetisches Denkmal. Renoir, Van Gogh, Toulouse-Lautrec, Picasso, Braque…und die
Stadt ohne Patina
Hat man sich erfolgreich nach oben gekämpft, trifft man unweigerlich auf die Basilika Sacré-Cœur. Die Herz-Jesu-Kirche aus Château-Landon-Steinen, die klar vom römisch-byzantinischen Stil durchdrungen ist, wird mit den Jahren immer weißer. Wie Paris selbst, setzt sie keine Patina an. Und von dort oben bietet sich dem Auge ein Ausblick, der nur noch übertroffen wird, wenn man oben auf dem Eiffelturm steht. Abends, wenn die Dämmerung hereinbricht, sitzt man nie allein auf den weiten Stufen. Da wird auch mal gesungen zur Gitarre, die obligate Flasche Rotwein herum gereicht, und wer eine empfindsame Nase besitzt, der atmet schon mal das süßliche Arom, das zu kennen man besser nicht öffentlich zugibt.
Auf dem Hügel
Der Hügel bietet noch viel. Nicht nur den Ausblick. Das alles zu beschreiben aber ist eine eigene Seite wert. Und wer aufsteigt, muss auch wieder absteigen. Oder besagte Funiculaire benutzen. Mit ein bisschen Geduld findet mal Platz in der engen Kabine und gleitet sanft aber zügig den Berg wieder herab. Neben Künstlern und Bistros und Restaurants bietet der Montmartre auch etwas Spezielles. Nein, ich meine nicht den Weinberg oder Pigalle, ich meine den Cimetière de Montmartre. Über ihn werden wir auch gehen. Vorbei an den Gräbern von Dalida, Francois Truffaut, Jaques Offenbach, Hector Berlioz, Emile Zola, Adolphe Sax…
Au revoir! Bis zur nächsten Wanderung durch die Stadt der Liebe…
André