Der Eiffelturm
Befindet man sich in Paris, kommt man an einem Monument nicht vorbei. Das schönste Stahlgerüst der Welt steht stoisch an seinem Platz. La Tour Eiffel ist im französischen eine Dame. Natürlich ist „sie“ zugleich ein Phallussymbol. Und ja, der Turm drang tief ein. Zuerst in das Bewusstsein der Gegner. Eine ganze Reihe bekannter Architekten und Künstler widmete dem eigenen Unbehagen einen offenen Brief an Adolphe Alphand, den Baudirektor der Weltausstellung von 1889. Man befürchtete, die ganze Stadt würde verschandelt. Der Turm galt ihnen als Schandfleck, der den Bürgern zugemutet würde. Doch irgendwann begannen berühmte Dichter freundliche Worte an den Koloss zu richten, wie Sully Preudhomme (1901 erster Nobelpreisträger für Literatur) oder Apollinaire.
Die phallische Dame
Der gewaltige Pylon war seinerzeit das höchste Bauwerk der Welt. Man feierte das einhundertjährige Jubiläum der Revolution. Und die Männer um Gustave Eiffel stormten ihre brains, und sie kreierten letztendlich den unübersehbaren Funkmast. Obschon er, also sie, Eiffels Namen trägt, sind ihre wahren Väter andere. Die Ingenieure Maurice Koechlin (der vielleicht eigentliche Vater) und Emile Nouguier gingen mit ihrer Idee zum hauseigenen Architekten Stephen Sauvestre mit der Bitte, aus jener Idee einen Turm zu machen, der ästhetischen Gesichtspunkten genügte. Eine Ideenskizze Koechlins vom Juni 1884 zeigte bereits einen Pylon mit vier Füßen. Darauf ließ sich aufbauen.
Der Eiffelturm: Geschichte und Fakten
Ende des Jahres 1884 wurde klar, dass es im Jahre 1889 erneut eine Weltausstellung in der „Welthauptstadt den 19. Jahrhunderts“ geben würde. Und der geschäftstüchtige Eiffel, der den Plänen seiner Mitarbeiter erst skeptisch bis ablehnend gegenüberstand, sah das Projekt plötzlich mit anderen Augen! Ja, wenn ein guter Franc zu machen war, was Gustave, einer der berühmtesten Brückenbauer des Kontinents zur Stelle. Ist also wie heute!
Man nahm an der kommenden Ausschreibung teil und erhielt den Zuschlag. Eiffel verpflichtete sich alle Bauleistungen zu übernehmen. Als Gegenleistung zahlte der französische Staat 1,5 Millionen Francs Zuschuss. Dazu wurden dem guten Gustave, der übrigens nicht in der Eifel geboren wurde, sondern in der bekannten Senfmetropole Dijon, alle Nutzungsrechte am Phal…öh…Pylon eingeräumt, und zwar ab dem 1.1. 1890 für 20 Jahre. Danach sollte die Dame abgerissen werden. Das ist natürlich nicht gentlemanlike. Und wie man eindeutig erkennen kann, wurde mit der Dame auch fürsorglicher verfahren. Als Standort wählte man das Marsfeld. Der Boden erwies sich als der Dame Problemkind, denn er war sehr unterschiedlich beschaffen. Nord- und Westpfeiler lagen derart nah an der Seine, dass man quasi im Morast buddeln musste. Die beiden anderen Füße standen im Trockenen, und brauchten keine Gummistiefel. Pariser Chic eben…
Der Turm wird fertig
Am 28.1. 1887 wurde…Arthur Rubinstein geboren. Der Mann pianierte zwar die Songs von Freddy Chopin, der bekanntlich auf Pere Lachaise ruht, wie kein Zweiter, hat aber für den Turm eine stark zu vernachlässigende Bedeutung. Außer…am Tage seiner Niederkunft wurde auf dem Marsfeld der Grundstein für den heute berühmtesten Turm der Welt gelegt. Nach den Fundamentierungsarbeiten schraubte man den Turm zusammen. Aufgrund meiner fortgeschrittenen Jugend, kann ich an dieser Stelle keine selbst angefertigten Fotografien dieser Arbeiten präsentieren. Zusammengepuzzelt wurde die Dame aus rund 12.000 Einzelteilen. 2,5 Millionen Nieten, nein, so viele gibt’s selbst in der Politik nicht, wurden in ebenso viele Löcher geschlagen.
Am 31.3. 1889 war Richtfest, und die Richtfeierer durften die 1710 Stufen hinauf bis zur Kanzel kraxeln. Mehr als 50 Honoratioren waren gekommen…keine 20 schafften es bis ganz hinauf. Rund 30 Memmen kapitulierten unterwegs. Der Prince of Wales (nee, auch wenn er der Gesichtsälteste Windsor ist, aber das war nicht Charles, sondern der spätere Edward VII.) gildet als erster Besucher. Man installierte Lifte, und im Juni des Jahres 1889 konnten die Besucher bis nach oben düsen. Und es kamen reichlich…
Fast 1,9 Millionen Menschen besuchten die Schandfleckin. Bereits im ersten Jahr erwirtschaftete die Dame Gewinn. Der Erfolg übertraf alle Erwartungen. Und wie es so ist im Leben…bringt die Dame richtig was ein, darf sie auch bleiben. Damit das so bleibt, wird sie regelmäßig geschminkt. Etwa alle 7 Jahre bekommt der Eiffelturm einen neuen Anstrich, der sie vor Falten, Orangenhaut und Rost schützen soll.
Und da Damen ja sehr auf ihre Linie achten, wurde sie im Laufe der Zeit abgespeckt. Wog sie bei Fertigstellung rund 9.700 Tonnen, ist sie heute deutlich schlanker. In der ersten Etage gab es ein Postamt. Dort erhielten die Postkarten einen „Eiffelturm-Sonderstempel“. Das ist heute verschwunden. 1985 installierte Pierre Bideau (nicht zu verwechseln mit dem Erfinder der Schniedelwaschanlage!) eine Lichtanlage, die den Turm von innen beleuchtet. Betrachtet man das Schauspiel der Illumination vom Montmartre, sieht es so aus, als begönne der Turm zu glühen.
rauf und runter
Sechsmal war ich bisher auf ihr, bewegte mich intensiv in ihr. Ja, das klingt unanständig. Aber es blieb immer im Rahmen des platonischen. Ich war tags oben, fütterte in 300 Metern Höhe meine Tochter, war abends oben und sah Paris bei Nacht, war einmal nur flugs im Postamt, kletterte einmal zu Fuß bis in die 2. Etage, kaufte einmal im Ex-Postamt, das heute ein Souvenirshop ist, eine Teddybärin, zeigte einmal meiner Tochter, wo ich sie 12 Jahre zuvor gefüttert hatte, kann dort stundenlang herumlaufen. Und es gibt nur einen Ort auf der Erde, an dem ich einen Crepes essen kann. Bei meinem ersten Besuch der Stadt im Jahre 1988 sah ich sie nur aus der Ferne, drum musste ich ein Jahr später wieder hin. Seitdem muss ich immer mal wieder hin; muss sie sehen, ihre anmutige Gestalt; muss sie berühren. Guy de Maupassant verließ wegen ihr die Stadt. Für mich ist sie der Grund, dorthin zu fahren.
Au reservoir! (…oder wie was heißt!)
André